Kunstlederkunde Teil 2: Nähen mit Kunstleder

Dieser Beitrag enthält Werbelinks! 

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.
Aufgenommen bei Stoffwerk Hildesheim

In Teil 1 meiner Kunstlederkunde habe ich dir vor 14 Tagen schon einiges darüber erklärt, welche Arten von Kunstleder es gibt, was sie für Eigenschaften mitbringen und wie man die unterschiedlichen Kunstleder pflegt. Heute soll es darum gehen, wie man Kunstleder verarbeitet und den üblichen Tücken wie einem schlechten Transport auf der Nähmaschine und dem Verziehen des Nähstücks unter dem Druck des Nähfußes entgegenwirken kann. Zu wissen wie man Kunstleder verarbeitet ist entscheidend dafür Spaß an diesem Material zu finden, das unglaublich vielseitig ist.

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.
Zuschnitt mit einer Schere entlang von Kugelschreiber-Markierungen auf der linken Seite des Kunstleders


 Der Zuschnitt

Am Anfang eines Nähprojektes steht immer der Zuschnitt. Eine wunderbare Eigenschaft bei Kunstleder ist, dass es für die meisten Projekte unabhängig vom Fadenlauf des Gewebes auf der Rückseite zugeschnitten werden kann. Nur wenn man elastisches Kunstleder für Kleidung verwendet oder das Material ein gerichtetes Muster aufweist, ist es entscheidend, dass die Dehn- oder Musterrichtung beachtet wird.
Das Zuschneiden entgegen dem Fadenlauf ermöglicht es sehr materialsparend zuzuschneiden. Auch Reste lassen sich so leichter verbrauchen. Patches für Kleidungsstücke oder Teile, die zu kleinen Applikationen verarbeitet werden, verziehen sich beim Aufnähen nicht stärker, wenn der sie im schrägen Fadenlauf geschnitten wurden.

Du willst auf dem Laufenden bleiben, wenn bei LaLilly Herzileien etwas Wichtiges passiert? Wenn du dich zu meinem Newsletter anmeldest, informiere ich dich über Angebote, wichtige Neuigkeiten, Probenähen und neue Schnittmuster! (klick) 

Ob man Kunstleder mit der Schere oder dem Rollschneider zuschneidet ist Geschmackssache. Besonders dann, wenn man gleichzeitig durch mehrere Lagen schneidet, ist ein Rollschneider gut geeignet, weil die Lagen nicht so stark aufeinander verrutschen. Gerade wenn es um kleine Teile oder geschwungene Formen geht ist es oft einfacher eine Schere zu verwenden. Um die Formen zu übertragen empfehle ich das Anzeichnen mit einem Kugelschreiber auf der Rückseite des Kunstleders.
Anders als bei Stoffen, die keine Beschichtung haben, können Schnittmusterteile nicht mit Stecknadeln befestigt werden und kleine Schnittmusterteile verrutschen leicht, da sie sich nicht gut mit Gewichten beschweren lassen. Es sollte jedoch unbedingt vermieden werden, auf der sichtbaren Seite eines Schnitteils Markierungen einzuzeichnen, wenn man nicht absolut sicher sein kann, dass der Stift rückstandslos entfernbar ist. Gute Erfahrungen habe ich mit diesem Markierstift

von Prym gemacht, der sich ähnlich wie flüssige Kreide verhält und von vielen Kunstledern gut abwaschbar ist. Dennoch sollte man immer auf einem Reststück testen um keine böse Überraschung zu erleben!

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.
Mit Klammern fixierte Kunstlederkante


Stecken vs. Klammern

Da in Kunstleder wie auch in anderen beschichteten Materialen Löcher entstehen, wenn eine Nadel durch sie hindurch sticht, bleibt jede aufgetrennte Naht aber auch jede Fixierung mit Stecknadeln dauerhaft sichtbar. Stecknadeln sollten daher nur dann verwendet werden, wenn man innerhalb der Nahtzugabe, in einem später nicht sichtbaren Bereich fixieren kann.

Deutlich bequemer ist es, nicht nur, weil man weniger aufpassen muss das Material nicht zu beschädigen, sondern auch auf Grund der Dicke und des Widerstands den das Material gegenüber dem Durchstechen mit der Stecknadel aufweist, die zu vernähenden Lagen mit Hilfe von Wonderclips oder Stoffklammern aufeinander zu fixieren.
(Ich bevorzuge diese Clips, die auf der Unterseite flach sind und dadurch bis nah an den Nähfuß auf dem Material belassen werden können. Es gibt die Klammern auch in lang,
sodass das Material weiter innen fixiert werden kann. Das ist bei schweren Materialien von Vorteil.)

Manchmal lässt es sich nicht vermeiden ein Kunstlederstück mittig auf einem anderen Schnittteil zu fixieren. In solchen Fällen empfehle ich dir, Dokumententesa oder Washitape zum Fixieren zu nutzen. Diese Klebebänder lassen sich rückstandslos entfernen. Lass sie trotzdem nie länger als nötig auf dem Material kleben!

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.
Unterschiedliche Nähmaschinennadeln

Die richtige Nadel

Für schöne Nähte und eine angenehme Verarbeitung ist es enorm wichtig die richtige Nadel auszuwählen. Welche Nadel geeignet ist, richtet sich immer nach der Stärke und der Art des Materials. Die Nadeln werden nach ihrer Art, den unterschiedlichen Nadelsystemen von Nähmaschinen und ihrer Stärke unterschieden. Die Stärke ist dabei der Wert, der meist im unteren Bereich der Verpackung oberhalb des Strichs aufgedruckt ist. Je nach Art der Nadel sind unterschiedliche Stärken üblich. Je höher die Nummer ist, desto dicker ist die Nadel und umso dicker darf das Material sein, das damit vernäht wird.

Beschichtete Materialien lassen sich nicht mit jeder Nadel gleich gut vernähen und nicht bei jeder Nähmaschine liefert die gleiche Nadelart das optimale Ergebnis. Ich empfehle daher sowohl mit einer Microtexnadel, die besonders für beschichtete Materialien geeignet ist, als auch mit einer Universal- und einer Superstretchnadel eine Testnaht durch mehrere Lagen zu machen und die Nadel zu wählen, die das beste Ergebnis liefert.
Bitte beachte, dass es bei Arbeitsschritten, bei denen durch mehrere Lagen genäht wird nötig sein kann, eine höhere Nadelstärke einzusetzen und die Oberfadenspannung anzupassen.

Auf keinen Fall sollte eine Ledernadel benutzt werden- sie zerschneidet das Material, wodurch es im Bereich der Nähte dauerhaft geschwächt wird.

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.
Zum Herabsetzen der Haftung abgeklebte Stichplatte


Der Nähfuß und die Stichplatte

Kunstleder hat eine höhere Haftung an Metall als ein Baumwollstoff oder andere Naturfasern. Daher tritt oft das Problem eines ungleichmäßigen Transports auf. Je dicker die Lagen unter dem Nähfuß sind, desto größer wird das Problem. Abhilfe schafft ein Obertransportfuß, der im gleichen Rythmus wie der Transport der Nähmaschine den Stoff greift und weiterschiebt. Auch ein Teflonfuß, der besser über das Material gleiten kann oder ein Rollenfuß kann hilfreich sein.

Auch an der Stichplatte aus Metall haftet die Oberfläche des Kunstleders manchmal so stark, dass das Material nicht gleichmäßig transportiert werden kann. Hier besteht die Möglichkeit mit Washitape oder Dokumententesa die Bereiche abzukleben, über die das Material mit Druck gleitet. Das betrifft den Bereich vor und hinter dem Transporteur.

Wer weder das eine noch das andere zur Verfügung hat, kann sich mit anderen Tricks gegen das "Kleben" des Materials helfen. Bei all diesen Tricks solltest du vorher Testnähte machen und auch kontrollieren ob dein Material darunter leidet.
Eine Option die Haftung herabzusetzen ist es, das Material dünn mit Gleitmittel zu bestreichen. Dabei solltest du unbedingt vorher überprüfen, dass keine bleibenden Spuren auf deinem Material zurückbleiben. Diese Lösung kann dir zu besseren Ergebnissen beim Nähen verhelfen, aber an Nadel und Nähmaschine bleiben Spuren des Mittels zurück. Daher sollte die Nadel anschließend nicht weiter verwendet werden und die Nähmaschine muss gründlich gereinigt werden.
Eine weitere Möglichkeit ist es in der Naht oberhalb und unterhalb des Materials ausreißbares Stickvlies mitzuführen. Dieses kannst du wenn die Naht fertig ist vorsichtig abreißen. Bitte reiß es nicht ruckartig ab, da sich die Naht sonst lockern kann. Genauso funktionieren Butterbrotpapier, Backpapier oder Küchencrepp. Diese nutzen allerdings die Nadel stärker ab und lassen sich schlechter entfernen, da sie fusseln.

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.
Installierter Obertransportfuss


Stichlänge, Nadelposition und "Hebamme"

Jeder Nadelstich verletzt das Material dauerhaft, da die Nadel wie auch eine Stecknadel es tun würde,  Löcher im Material hinterlässt. Das liegt daran, dass die Beschichtung verhindert, dass die Fäden des darunterliegenden Gewebes auseinandergeschoben werden. Stattdessen stanzt sie sich durch den Kunststoff. Um zu verhindern, dass bei Belastung später die Nähte ausreißen, muss die Stichlänge erhöht werden. Bei zwei Lagen Kunstleder sollte sie mindestens 3mm betragen. Wenn die Nadel durch mehr Lagen oder besonders dickes Kunstleder näht, ist eine Anpassung auf 3,5-4mm besser. Unter 3mm sollte die Stichlänge bei der Verarbeitung von Kunstleder nie gewählt werden. Auch dann nicht wenn nur eine Lage Kunstleder mit einem Stoff vernäht wird.

Da Kunstleder ein recht dickes Material ist, kann es beim Absteppen nahe der Kante dazu kommen, dass der Nähfuß nichtmehr komplett auf dem Material aufliegt sondern teilweise "schwebt". Das ist sehr ungünstig, da er so leicht verkippt und die Nähte unsauber werden. Um eine solche Situation zu verhindern, solltest du zum Absteppen die Nadelposition verändern. Stelle sie soweit es geht zur jeweiligen Seite nach außen. So läuft der Nähfuß auf dem Material und du kannst seine Kante als Orientierung nutzen um eine saubere Naht nahe der Kante zu steppen.

An Stellen, an denen mehrere Lagen dicker Materialien kreuzen, muss der Nähfuß "bergauf" und "bergab" bewegt werden. Diese gekippte Position sorgt für unsaubere Nähte und kann auch zu einem Verklemmen z.B. unter dem Kasten am Obertransportfuß führen. Die "Hebamme" ist ein Stück Kunststoff mit einem Schlitz für die Nadel und wird mit dem Material zusammen unter den Nähfuß geführt. Dort gleicht die Hebeplatte den Höhenunterschied aus, bis der Fuß wieder gerade auf dem Material läuft.
 

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.

 

 Kantenverarbeitung und Veredelung

Kunstleder gehört neben beschichteten Stoffen, Snappap und Kork auch zu den Materialien, die nicht versäubert werden müssen. Daher ist es toll um etwas auf die Schnelle zu nähen oder auch Besätze oder Applikationen zu fertigen, bei denen die Kanten offen bleiben.

Um die Oberfläche zu verzieren kann das Material auch mit einer Stickmaschine bestickt werden.
Meine Lösung, damit das Material auch beim Sticken von Vollstickdateien nicht verzieht ist folgende: Zwei Lagen Abreißvlies und eine Lage Klebevlies werden im Rahmen trommelfest eingespannt. Dann wird das Kunstleder aufgeklebt. Die Nadel ist eine normale Sticknadel. Zur Sicherheit kann man die Geschwindigkeit herabsetzen um die Maschine zu schonen.

Da Kunstleder nur in einem sehr begrenzten Maß gebügelt werden kann, ohne durch die Temperatur Schaden zu nehmen, ist das Aufbringen geplotteter Motive nur sehr eingeschränkt möglich. Es muss immer an einem Reststück getestet werden ob Druck und Temperatur das Material beschädigen. Außerdem sollten Folien verwendet werden, die eine sehr geringe Presszeit und möglichst geringe Presstemperatur erfordern.
Kunstleder ist meistens aus thermoplastischen Kunststoffen. Diese Kunststoffe sind durch Temperatureinwirkung verformbar, was bügeln ohne das Material zu beschädigen erschwert. Trotzdem kann man einige Kunstleder von der Rückseite durch ein Tuch bügeln um sie zu glätten, wenn sie beispielsweise durch die Lagerung Falten bekommen haben oder eine Verstärkung aufgebracht werden soll. Auch beim Bügeln gilt die goldene Regel: Teste immer erst an einem Rest! Taste dich langsam an die richtige Temperatur heran, das Material und dein Bügeleisen werden es dir danken, wenn dein Kunstleder nicht schmilzt.



Stickdatei: Rockqueen
Kunstleder: Grimpy 
Utensilo nach Farbenmix

Du nutzt Pinterest? Dann nimm doch eine dieser Grafiken direkt mit auf deine Pinnwand! 


Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.

Kunstleder wird oft als ein schwieriges Material zum Nähen bezeichnet. In dieser Materialkunde findest du Informationen zum Zuschnitt, Einstellen der Nähmaschine und allem rund ums Nähen und veredeln dieses Materials.

Labels: