Selber nähen-lohnt sich das?



Ich möchte heute versuchen eine Frage zu beantworten, die mir- und wahrscheinlich allen die ihre Kleidung weitgehend selbst nähen- immer wieder gestellt wird.

Lohnt es sich, Kleidung, für sich oder die Familie selbst zu nähen?

In unserer Gesellschaft bedeutet "lohnen" in der Regel, dass man Geld spart oder Geld bekommt. Trotzdem lässt sich nicht pauschal sagen, "Ja, ich spare Geld gegenüber dem Kauf von Kleidung!" Oder "Nein, ich gebe mehr Geld aus wenn ich meine Kleidung nähe, als wenn ich Kleidung kaufe.".
Dafür müssen erst grundlegende Ansprüche an die Kleidung definiert werden, denn Kleidung, egal ob selbst genäht oder gekauft, ist nicht gleich Kleidung.

Ich habe im letzten Jahr meinen Verzicht auf gekaufte Kleidung begonnen, sodass ich, zumindest für mich, nach einem Jahr eine Bilanz zu dem Thema ziehen kann.
Insgesamt habe ich im vergangenen Jahr mehr Geld für meine Kleidung ausgegeben, als ich es getan hätte, wenn ich meine Kleidung bei den Bekleidungsketten gekauft hätte, die ich früher besucht habe. Trotzdem habe ich gespart.

Wie geht das?


Ich habe meinen Verzicht auf gekaufte Kleidung nie als eine Möglichkeit gesehen Geld zu sparen, sondern begonnen, weil ich meine Ansprüche an Kleidung überdacht und verändert habe. Ich lege nicht primär Wert darauf, dass die Kleidung modisch, günstig oder leicht zu haben ist. Ich lege Wert darauf, zu wissen woher meine Kleidung kommt, kleine Unternehmen zu unterstützen, nicht in Massen, sondern bewusst und möglichst langlebige Kleidung anzuschaffen, und bewusst die gängigen Praktiken in der Bekleidungsproduktion nichtmehr zu unterstützen.
Wenn ich diese Ansprüche auf gekaufte Kleidung übertrage, würde ich vermutlich wenige, besonders hochwertige Teile kaufen, die in Handarbeit oder zumindest in Deutschland produziert wurden, entweder von einem kleinen Handmade-Label, oder zumindest zu Mindeslohn für die Näher/innen. Zum Kaufen würde ich mir dann wohl einen kleinen Laden in der Umgebung suchen, der transparent mit der Herkunft und den Details über die Herstellung seiner Waren umginge.

Klingt teuer? Wäre es sicher, und genau das ist der Grund, warum ich immernoch gespart habe, obwohl ich mehr Geld ausgegeben habe als beispielsweise im Jahr davor. Denn hätte ich mit diesen Ansprüchen eingekauft, wäre ein T-Shirt auch nicht für acht Euro zu haben gewesen.

Es bedeutet aber auch, dass ich nicht aus den günstigsten erhältlichen Materialien genäht habe, und auch nicht immer zum günstigsten Preis einen Stoff gekauft habe, sondern eben manchmal bei den kleineren Händlern für ein paar Euro mehr, weil ich die Beratung mag, den Service, dass sie auf Nachfrage Fotos schicken, auf denen mein Wunsch-Stoff mit mehreren Kombinationsmöglichkeiten zu sehen ist, aus denen ich mir dann nicht auf gut Glück sondern mit dem guten Gefühl, dass meine Stoffe sicher zusammenpassen werden, den richtigen aussuche.

 

 Sparen durch selber nähen? Das geht!

Wenn ich alle diese Aspekte außer Acht lasse, und beim Stoff wirklich nur nach dem möglichst günstigen Preis kaufe, dann kann ich tatsächlich Geld sparen. Eine Voraussetzung, die ich generell für meine Argumentation in diesem Beitrag gemacht habe gilt aber weiter: Ich darf mich dabei nicht als Dienstleister meiner Familie verstehen, der einen Stundenlohn erhält, ich betrachte den Bedarf an Kleidung dann genau wie den Bedarf an Essen, das gekocht werden muss. Daran, dass die Wohnung geputzt und die Wäsche gewaschen wird. Vor ein paar Jahrzehnten war es tatsächlich noch normal, dass Kleidung, vorallem für Kinder, von der Hausfrau oder der Oma gefertigt wurde. Dass wir inzwischen bevorzugt Kleidung kaufen ist der Zeitersparnis geschuldet, und man könnte es damit vergleichen, wenn wir statt selbst zu kochen irgendwann ausschließlich essengehen oder beim Bringdienst bestellen würden.

Und trotzdem bleibt es eine ganz individuelle Rechnung:


Ich habe früher meistens bei H&M, C&A und Ernstings Family Kleidung gekauft. Wenn ich ein Kleid oder eine Jeanshose zum Vergleich heranziehe, liegen diese in diesen Ketten zwischen 20€ und 40€- nicht ausgeschlossen, dass es auch günstigere gibt, ich lege zu Grunde, was ich dort normalerweise bezahlt habe.
Für Stoffe zahle ich zwischen 10€ und 20€ pro Meter.
Wenn ich bei einem Jeansstoff, der oft etwas teurer als der Jersey oder die Viskose ist, die ich für Kleider benutze, 1,5 Meter kaufe, mein durchschnittlicher Bedarf für Jeans oder Kleider, liege ich also bei ca 23€. Natürlich ist das nicht alles an Material. Man kann eine Jeans unterschiedlich aufwendig nähen. Wenn ich aber auf Nieten und Ziergarn verzichte kommen noch knapp 1,20€ für Garn, ein Bischen für Strom und ein geringer Anteil für die Wartung meiner Nähmaschine hinzu. Ich würde meine Jeans also bei ca 25€ ohne meine Arbeitszeit einstufen. Bei einem Kleid komme ich auf 15€-20€ und aus einem Meter Jersey bekomme ich 2 einfache T-Shirts, liege also bei ca 6€. Wenn man Glück hat, und keinen Zeitdruck, kann man durch Stoffe von Stoffmärkten oder aus dem Ausland sogar noch günstigere Materialien kaufen.
Noch günstiger wird es bei Kinderkleidung, wo aus einem Meter Stoff mehrere Hosen oder Pullover entstehen, natürlich abhängig von der Größe.

Ich würde aber sogar noch weiter gehen, als nur die Kleidung, die ich nicht kaufe in den Vergleich einzubringen. Ich nähe gerne. Es ist für mich eine Entspannungsmöglichkeit- dafür bezahlen andere in Wellnesshotels oder für Yogastunden. Es ist für mich ein Hobby, in das das Geld fließt, dass ich vorher in andere Hobbies, wie lesen oder kochen investiert habe. Wenn ich diese Positionen mit einbeziehe habe ich tatschlich eine größere Spanne der Ersparnis.

kostenloses CC0 Bild von Pexels

 

Lohnt sich nur etwas, durch das man Geld spart?

Ob es sich für mich lohnt meine Kleidung oder die meiner Familie selbst zu nähen, ist für mich, im Gegensatz zu vielen, die die Frage stellen, zweitrangig. Für mich ist das Nähen primär dazu da, meine Überzeugung bezüglich der Wertschätzung von Kleidungsstücken, meine Individualität und meinen Drang danach, etwas zu erschaffen in sinnvolle Bahnen zu lenken. Kleidung verbraucht sich eben schneller, als Möbel und geht weniger auf die Hüften als wenn ich viel koche oder backe (und anschließend natürlich auch esse). Der größte Lohn den ich aus dem Nähen ziehe ist daher eine sinnvolle Zeitbeschäftigung, die in Werken mündet, die mich gleichzeitig erfreuen und nützlich sind. Es gleicht mich aus. Es hilft mir meine Gedanken zu sortieren und abzuschalten. Und gleichzeitig erweitert sich mein Wissen über Materialien, Techniken und Werkzeuge. Ich lerne und habe Spaß dabei. Natürlich könnte ich auch ein Buch über Stoffe lesen, aber schon Goethe sagte:

 "Wir behalten von unseren Studien am Ende doch nur das, was wir praktisch anwenden."

Was ich nur unterschreiben kann.

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