Burda, ich? Und Gedanken zu Mode und Kultur


In den letzten Tagen habe ich mir immer wieder Gedanken um die Themen Mode, Kultur und die Bedeutung verschiedener Kleidungsstücke und Stile gemacht. Der Gedanke kam mir, weil ich ein Outfit im Gypsy-Stil nähen wollte. Schon seit einiger Zeit verfolge ich in einer internationalen Nähgruppe auf Facebook die Diskussion zum Ethnostil und der Verwendung von Mustern und Accessoires, die für verschiedene Gruppen von Menschen eine religiöse oder kulturelle Bedeutung haben. Erstmals konfrontiert war ich damit aber schon früher, wegen eines modischen Missverständnisses mit meinem Mann, kurz nachdem ich ihn kennengelernt hatte.


Damals hatte ich ein Schmuckstück mit einer kleinen Muschel und verschiedenen Rocailleperlen in grün, rot, gelb und türkis. Er hatte mir gerade etwas über die kubanische Kultur erklärt, und die Bedeutung von Religionen. Er kommt aus einer Gegend, in der die Yoruba-Kultur eine große Bedeutung hat, sah dieses Schmuckstück, eigentlich Tant, den ich aus dem Urlaub hatte, und sagte "Oh, du hast auch einen Santo?" Denn was ich am Strand für ein paar Euro als Andenken gekauft hatte, war für ihn ein Hinweis, dass eine Art Priester den zu mir passenden Heiligen der Religion ermittelt hatte, die sein Leben lang in seiner Umgebung praktiziert wurde.


Mir war diese Situation damals unglaublich peinlich. Nach genauerem Untersuchen sah er natürlich auch, dass es nicht "echt" war, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen so leichtfertig mit einem kulturellen Symbol umgegangen zu sein, denn anders als bei Kreuzen, dem Halbmond oder dem siebenarmigen Leuchter, die wohl in den meisten Ländern mit Religion verknüpft werden, war mir nichtmal die Bedeutung der Muscheln und Perlen bewusst.


Diese Gedanken kommen mir immer wieder, einerseits dann, wenn ich die Diskussionen über die Muster auf Waxprint-Stoffen oder die angesagten "Ikat"-Muster sehe (Und auch ich liebe diese Muster, Stoffe und Farben, und natürlich verwende ich sie, aber ich versuche es nicht ganz so leichtfertig zu tun), aber auch wenn Begriffe wie Ethno, Afro oder Gypsy verwendet werden.
Ich versuche mir klar zu machen, wie ich mich fühlen würde, wenn jemand Symbole meiner Religion in ähnlichem Maße verwenden würde um sich modisch zu profilieren.
Bis zu einem gewissen Punkt finde ich das völlig ok. Wenn ein Stoff einen Print mit Kreuzen hat, Popstars Rosenkränze tragen oder man Madonnenbilder wegen ihrer schönen Farben aufhängt statt wegen ihrer Bedeutung- alles kein Problem für mich!


Ins Grübeln kam ich aber, als bei einem Schnitt den ich vor einiger Zeit Probegenäht habe, ein Bild aufs Cover kam, auf dem ein Mädchen mit knappem, bauchfreiem Top einen indianischen Kopfschmuck trug. Wie würden wir es finden, wenn eine Frau leicht bekleidet den Schleier einer Nonne tragend, für ein Schnittmuster werben würde? Ich glaube, viele finden das ok, aber es gibt auch diejenigen, die sich dadurch beleidigt fühlen, die das Gefühl bekommen, dass ihr Glaube nicht respektiert wird, wenn sie soetwas sehen.


Diese Gedanken haben mich davon abgebracht, mein Komplettes "Gypsy"-Outfit zu nähen. Klar, zu meiner Bluse hätte ich einen langen Rock anziehen und mir ein Kopftuch umbinden können, ich hätte große Creolen tragen und meine Augen komplett schwarz schminken können, aber ich war nichtmerh sicher was "Gypsy" wirklich ist, und was das Klischee, das die Mode daraus gemacht hat. Und ich wollte niemanden verletzen.


Mein Oberteil könnte sicher auch unter dem Stichwort "Boho" eingeordnet werden, dann wäre alles politisch Korrekt und ich hätte mir die Gedanken sparen können, aber vielleicht regt es den ein oder anderen von euch ja auch an nachzudenken, denn ich finde, ein wenig Rücksichtnahme und Respekt, und ein etwas offenerer Blick kann auch in der Mode nicht schaden, auch wenn sie alles darf.


Mit diesem Schnitt habe ich mich übrigens nach langer Abstinenz wieder an einem Burds-Schnitt versucht. Der Carmenbluse aus der Burda Easy Frühjahr/Sommer 2016. Sie ist, wie bei mir leider fast immer, wenn ich nach Burda- Schnitten nähe, nicht ganz so geworden wie auf den Fotos- im Vergleich ist sie viel zu weit, aber ich finde sie mit einem engen Unterteil trotzdem stimmig. Für die Spitzen mussten zwei Platzdeckchen vom Flohmarkt dran glauben- aber die Spitze war einfach zu schön um sie liegen zu lassen... Und eine neue Liebe habe ich auch entdeckt: Die bedruckten Gummibänder! Ich glaube, ich muss unbedingt noch verschiedene Muster nachbestellen, sie ließen sich toll verarbeiten und sind ein weit schönerer Hingucker, als unsichtbare "normale" Gummis. Daraus ergab sich auch die nennenstwerteste Änderung vom Originalschnitt, denn ich habe auf Tunnelzüge verzichtet, um an der eher schlichten Bluse diese Highlights zu setzen.


Bluse: Modell 3 aus Burda Easy F/S 2016, Flamé-Jersey von Butinette, "Woven-Ribbon" Gummiband von Räuberfloh, Spitze vom Flohmarkt
Hose: "Skinny Jeans" von Sewera aus Dark Denim von Stoffhandel Caplan
verlinkt: MemadeMittwoch, After Work Sewing, Mittwochs Mag ich